Horst Müller Das Gedeck

Beliebige Gegenstände werden besondere Dinge. Das Verfahren der Realspiegelung, welches sie in den Ding-Status versetzt, gerät hier in den Fokus der Wahrnehmung.
Wenn Gegenstände sich ›realgespiegelt‹ geben und ihre bisherige Erscheinung unkenntlich machen, werden sie wieder befremdlich und auf andere Art ›wirklich‹.
Wie soll man die modifizierte Beziehung dieser Gegenstände deuten, wenn außer Zweifel steht, daß sie im status quo miteinander verbunden, wenn nicht miteinander identisch sind. Es sind seltsame Dinge – sie präsentieren sich so, als seien sie für uns der Inbegriff des Deckungsgleichen.
Auf durchaus unklare Weise sind sie organisch ineinander verschränkt; sie wollen sich nicht separieren um ›ungedeckt‹ eine Einzelexistenz zu führen. In ihrem ›verbindlichen‹ Ding-Sein sind sie nicht länger unauffällig. Sie werden zu Ausnahmeerscheinungen, die allerdings keinen Anspruch auf Einmaligkeit erheben.*
Wo jedes Teil von seinem Gegen-Teil nicht mehr getrennt ist, bildet sich eine Struktur des konstitutiven Miteinanders. Was nicht in Konfrontation zu dem gegenüberliegenden anderen steht, bringt sich in eine ›anzügliche‹ Position und für die künftige Zwei-Einigkeit kommt auch ein intimes Raumschema in den Blick.
Diese Beziehung zu Gleichartigem ist etwas, das sich zwischen zuvor isolierten Gegenständen herstellt und jetzt in erfreulich räumlicher Allianz eine neue Seinsweise begründet. Waren es eben noch zwei voneinander getrennte Teile, so ist nun eine Form von Zwei-Einigkeit anschaulich geworden. Der Vereinigungsprozeß hebt den dynamischen Charakter dieses Geschehens hervor und kann als gegenseitiges Vordringen ineinander aufgefaßt werden.
Die Ambition, aus der Zweiheit auszutreten, um sich an das Eine zu entäußern, ist wie ein Vorspiel für alles weitere: Jedes bricht aus sich hervor und in das andere hinein – die vollkommene Protuberanz.
Distanz-Verhältnisse lösen sich auf; Substanzen verschränken sich im selben Raumsegment. In einer Zone der Realspiegelungen wird alles deckungsgleich.
Das, was die Einheit und Ähnlichkeit zwischen Erstem und Zweiten garantiert, bildet nicht das Schlußstück des Ganzen – es könnte (modellhaft?) der Anfang einer Kettenreaktion sein, die vieles erfaßt; eine Entwicklungsmöglichkeit von spektakulärem Ausmaß ist denkbar.

* Ein solches Ding kommt nie allein. Jedes dieser Komposita profiliert sich in der Nachbarschaft zu seinesgleichen – im Spannungsfeld der Duplizität nimmt es Teil am Wettstreit der neugedachten, weitergedachten und zugespitzten Formen.

Überschaubare Gegenstände Holz, Lack, Porzellan 1990/2017